Abschiebehaft: Voraussetzungen nur mit richterlichem Beschluss erfüllt

Abschiebehaft: Voraussetzungen nur mit richterlichem Beschluss erfüllt

Um die Durchführung von Abschiebungen sicherzustellen, dürfen Ausländerbehörden die Inhaftierung von ausreisepflichtigen Personen anordnen. Dabei muss der Staat jedoch strenge rechtliche Vorgaben einhalten, betont das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in gleich mehreren, jetzt veröffentlichten Entscheidungen: Nur wenn die Abschiebehaft auf einer gesetzlichen Grundlage beruht und richterlich angeordnet wurde, ist sie rechtmäßig.

Abschiebehaft trotz klarer Voraussetzungen ohne Richter durchgeführt

Während die Bundesregierung aktuell an einer Gesetzesreform arbeitet, die unter anderem die Durchführung von Abschiebehaften erleichtern soll, schlägt das BVerfG einen gänzlich anderen Weg ein: In insgesamt 3 Beschlüssen kritisierte das höchste Gericht Deutschlands die momentane Praxis, nach der Polizei und Behörden Ausweisungen vorbereiten. Die Verantwortlichen ignorieren häufig, dass das Grundgesetz für die Rechtmäßigkeit einer Abschiebehaft bestimmte Voraussetzungen vorsieht, bemängelten die Richter.

Konkret ging es in den 3 Verfahren um eine slowakische Staatsangehörige sowie zwei Personen aus Eritrea. Alle standen kurz vor einer Abschiebung und wurden deshalb in Haft genommen. Die Betroffenen hatten jedoch Zweifel, ob das rechtmäßig war, da in allen Fällen ein richterlicher Beschluss entweder:

  • ganz fehlte oder
  • nicht unverzüglich nachgeholt wurde.

Deshalb legten die Migranten Widerspruch vor den Amts- und Landgerichten ein, die allerdings ins Leere liefen. In einem letzten Versuch erhoben die Betroffenen Verfassungsbeschwerde vor dem BVerfG, das die Abschiebehaft und ihre Voraussetzungen nun einer Grundrechtsprüfung unterziehen musste.

Hinweis: Verfassungsbeschwerde
Die Verfassungsbeschwerde ist einer der wichtigsten Rechtsbehelfe im deutschen Rechtssystem. Mit ihr können Personen Grundrechtsverletzungen durch den Staat vor dem BVerfG geltend machen. Stellt das Gericht tatsächlich eine Grundrechtsverletzung fest, erklärt es den entsprechenden staatlichen Akt für unwirksam.

Gesetzliche Grundlage und richterliche Anordnung notwendig

Die Verfassungsrichter in Karlsruhe gaben allen 3 Beschwerden statt und hoben die Urteile der Gerichte auf. Aus Sicht des BVerfG verstießen die umstrittenen Festnahmen aus zwei wesentlichen Gründen gegen das Grundrecht auf Freiheit der Person:

  1. Es fehlte in 2 der 3 Verfahren schon an einer gesetzlichen Grundlage, die die Behörden überhaupt zur Haft befugte.
  2. Es gab in keinem Fall eine rechtzeitig eingeholte richterliche Anordnung.

Beides sei nach dem Grundgesetz jedoch eine zwingende Voraussetzung für die Abschiebehaft. Fehlt eine Ermächtigungsgrundlage oder die Prüfung durch einen Richter, seien Freiheitsentziehungen per se verboten, stellte die Kammer klar.

Keine Abschiebehaft ohne erfüllte Voraussetzungen

In seiner Entscheidung ging das Gericht vor allem auf die richterliche Anordnung genauer ein: Grundsätzlich müsse sie vor jeder Festnahme eingeholt werden. Nur bei Gefahr im Verzug – also wenn das Warten auf die rechtliche Prüfung den Erfolg der Abschiebung gefährden würde – dürften die Vollzugsbehörden einen Beschluss ausnahmsweise auch nachträglich anfordern. Dabei gelte: Das Nachholen muss unverzüglich und ohne weitere Verzögerung erfolgen.

Genau da lag in den Ausgangsfällen das Problem: Bei 2 der insgesamt 3 Verhaftungen sei ein richterlicher Beschluss zwar nachträglich eingeholt worden. Da die Festnahmen aber schon lange im Voraus geplant gewesen waren, hätte die Ausländerbehörde genug Zeit gehabt, um rechtzeitig einen Richter einzuschalten.

Im dritten und letzten Verfahren bejahte das BVerfG Gefahr im Verzug. Allerdings lag zwischen dem Beginn der Abschiebehaft und der richterlichen Anhörung fast ein ganzer Tag. Eine Begründung, warum das Gericht nicht schon früher eingeschaltet wurde, konnte weder die Polizei noch die Ausländerbehörde liefern.

BVerfG stellt sich vor Betroffene

Die Verfassungsrichter kamen daher zu dem Schluss, dass das Vorgehen der Ämter und Strafverfolgungsbehörden verfassungswidrig war. Die Abschiebehaft hätte in keinem der 3 Fälle durchgeführt werden dürfen. In einem nächsten Schritt müssen nun die zuständigen Amtsgerichte alle Verfahren noch einmal neu prüfen. Dabei sind sie an die Feststellungen aus Karlsruhe gebunden.

Für die Behörden und unteren Gerichte sind die Beschlüsse des BVerfG eine Mahnung: Bei jeder Abschiebehaft sind die Voraussetzungen für einen Freiheitsentzug genau zu prüfen. Solange das nicht gewährleistet ist, werden sich die Verfassungsrichter auch in Zukunft schützend vor die Betroffenen stellen.

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Über den Autor

Mohamed El-Zaatari
Mohamed El-Zaatari LinkedIn

Mohamed El-Zaatari ist Experte fürs Ausländer- und Sozialrecht. Als ehemaliger Dezernatsleiter Rechtsangelegenheiten beim Amt für Versorgung und Integration Bremen ist er seit 2022 Abteilungsleiter der genannten Rechtsgebiete bei rightmart in Bremen. Mitte 2024 wurde er zudem Partner der rightmart Rechtsanwaltsgesellschaft mbH. Sein Wissen behält er dabei nicht für sich: Als Dozent im Sozialrecht profitieren auch die Nachwuchsjuristen und -juristinnen von seinem Know-how.

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