
Einstufung als sichere Herkunftsländer: EuGH gibt Kriterien vor
Menschen aus sogenannten „sicheren Herkunftsländern“ haben schlechte Chancen, dauerhaft in Deutschland zu bleiben, da ihre Asylverfahren sehr leicht abgelehnt werden dürfen. Welche Staaten als sicher gelten, entscheidet die Regierung in Deutschland größtenteils eigenständig – bis jetzt. Denn der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in einem neuen Urteil klare Vorgaben gemacht, die Deutschland in Zukunft bei der Einstufung in sichere und unsichere Herkunftsländer beachten muss.
Streit um Einstufung: Was sind sichere Herkunftsländer?
Um Asylverfahren schneller abwickeln zu können, bietet das deutsche Migrationsrecht der Bundesregierung die Möglichkeit, bestimmte Länder als sichere Herkunftsländer einzustufen. Damit sind Staaten gemeint, in denen aufgrund der stabilen Verhältnisse und eines funktionierenden Rechtssystems keine politische Verfolgung droht.
Sobald ein Land als sicher gilt, ist eine Abschiebung dorthin leichter möglich und das Prüfverfahren für Asylanträge ist vereinfacht. In der Regel werden Asylersuchen von Menschen aus sicheren Herkunftsländern zurückgewiesen, wodurch die Betroffenen ausreisepflichtig werden.
Wie genau die Einstufung bislang erfolgte, war eher unklar. Das dürfte sich nach einem neuen Urteil des EuGH aber bald ändern.
Geflüchtete greifen Einstufung sicherer Herkunftsländer vor Gericht an
Vor dem wohl höchsten Gericht Europas nahmen es zwei Geflüchtete aus Bangladesch mit Italiens Regierung auf: Nachdem sie auf ihrer Flucht über das Mittelmeer von der italienischen Küstenwache aufgegriffen wurden, brachte der Grenzschutz die Männer in eine Gewahrsamseinrichtung nach Albanien. Dort stellten die Geflüchteten ihre Asylanträge, die die italienische Behörde jedoch schnell ablehnte.
Die Begründung: Bangladesch befinde sich auf Italiens Liste sicherer Herkunftsländer, sodass kein Grund für ein Schutzersuchen gegeben sei. Den beiden Antragstellern drohe keine politische Verfolgung in ihrer Heimat. Da die Männer Zweifel daran hatten, dass Italien ein politisch so instabiles Land wie Bangladesch als sicher einstufen darf, ließen sie das gerichtlich überprüfen und landeten so schließlich vor dem EuGH.
Obwohl der Fall in Italien spielt, ist die Entscheidung des Gerichtshofes auch für Deutschland interessant. Die Vorgaben aus Luxemburg sind innerhalb der gesamten Europäischen Union (EU) – und damit auch in der Bundesrepublik – rechtlich bindend.
Einstufung als sichere Herkunftsländer muss nachvollziehbar sein
Der Gerichtshof gab den Klägern recht. Italien dürfe nach aktuellem Rechts- und Kenntnisstand Bangladesch nicht als sicheres Herkunftsland einstufen. Zwar betonten die Richterinnen und Richter, dass es grundsätzlich jedem Mitgliedstaat selbst überlassen sei, ob und welche Länder er als sichere Herkunftsländer bezeichnet. Diese Einordnung müsse aber jederzeit durch ein Gericht überprüfbar sein. Um das gewährleisten zu können, stellt der EuGH zwei Anforderungen an die Mitgliedstaaten:
- Transparenz: Die Mitgliedstaaten müssen alle Informationen offenlegen, auf deren Grundlage sie ihre Entscheidung treffen.
- Sicherheit für alle Personengruppen: Es dürfen nur Länder als sichere Herkunftsländer bestimmt werden, die für die gesamte Bevölkerung sicher sind. Das schließe auch bestimmte Personengruppen wie ethnische Minderheiten oder Homosexuelle mit ein.
Nur, wenn beide Voraussetzungen gegeben seien, sei die Einordnung als sicheres Herkunftsland rechtlich zulässig.
Deutschland will Einstufung als sichere Herkunftsländer erweitern
Obwohl sich der EuGH in seinem Urteil vorrangig mit Italien befasst hat, sind die Regeln, die er dort aufgestellt hat, auch für Deutschland bindend. Wie die Bundesregierung nun auf die Entscheidung reagiert, bleibt abzuwarten. Eigentlich haben sich die Koalitionsparteien nach der Wahl darauf geeinigt, die Liste der sicheren Herkunftsländer zu erweitern. Ob das jetzt nach dem Urteil immer noch umgesetzt werden kann, bleibt unklar.
Ebenso ungewiss ist, wie lange der EuGH seine Vorgaben aufrechterhalten kann. Im Juni 2026 soll eine EU-Regelung in Kraft treten, die das Gemeinsame Europäische Asylsystem neu regeln wird. Die Reform ermöglicht es den Mitgliedstaaten, bei ihrer Einteilung in sichere und unsichere Herkunftsländer Ausnahmen für bestimmte Personengruppen zu machen – und ist damit das genaue Gegenteil von dem, was der EuGH jetzt entschieden hat. Vorerst bleibt es jedoch bei der asylfreundlicheren Rechtslage.
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