
Bundesaufnahmeprogramm für Afghanistan: Visaerteilung ist Pflicht
2022 richtete Deutschland ein Bundesaufnahmeprogramm für Menschen aus Afghanistan ein. In dessen Rahmen verteilte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) Visa an Afghaninnen und Afghanen, denen in ihrer Heimat politische Verfolgung drohte. Seit diesem Mai ist das Programm jedoch ausgesetzt. Was jetzt mit den bis dato erteilten Zusagen passiert, musste das Verwaltungsgericht (VG) Berlin in einem Eilverfahren entscheiden. Der Gerichtsbeschluss ist wegweisend: Knapp 2.400 afghanische Staatsangehörige warten derzeit noch auf ihr Visum.
Afghanin begehrt vor Gericht Visumerteilung
Kein Visum für Deutschland trotz Aufnahmezusage – so geht es aktuell mehreren tausend Afghaninnen und Afghanen, die im Ausland auf den Abschluss ihres Visumverfahrens warten. Sie alle haben im Rahmen eines Bundesaufnahmeprogramms um Zuflucht in Deutschland gebeten. Seit Mai gibt es in den zuständigen Behörden jedoch einen Bearbeitungsstopp. Der Grund: Das Bundesaufnahmeprogramm für Afghanistan wurde mittlerweile von der neu gewählten Regierung bis auf Weiteres ausgesetzt.
Nun hat eine Betroffene einen Eilantrag vor dem VG Berlin erhoben. Die Afghanin erhielt zusammen mit insgesamt 13 weiteren Angehörigen im Oktober 2023 eine Aufnahmezusage vom BAMF. Daraufhin beantragte die Familie bei der deutschen Botschaft in Pakistan ihre Visa. Erteilt wurde die Einreiseerlaubnis aber bis heute nicht. Die Frau ist der Auffassung, dass sie und ihre Familie einen Anspruch auf Einreise nach Deutschland haben. Jetzt soll das VG den Fall klären.
Die Aufnahme in ein Bundesprogramm bedeutet nicht, dass Sie automatisch ein Visum erhalten. Sie müssen Ihre Einreiseerlaubnis eigenständig beantragen. Mit einer Zusage in der Hand, ist Ihr Verfahren jedoch schnell bearbeitet und endet im Regelfall mit einer Visumerteilung.
Zusage für Bundesaufnahmeprogramm erfolgt in zwei Schritten
Rechtlich umstritten ist der Fall unter anderem deshalb, weil das Verfahren für Bundesaufnahmeprogramme in zwei Abschnitte geteilt ist:
- Die Zusage über die Aufnahme in das Programm und
- der Abschluss des Aufnahmeverfahrens, in dem die Aufnahmezusage final bestätigt wird.
Die abschließende Bestätigung im 2. Schritt erhalten die Programmteilnehmerinnen und -teilnehmer im Regelfall erst kurz vor der Einreise nach Deutschland. Für die Antragstellerin und ihre Familie stellt das ein Problem dar, weil sie ohne Visum nur den 1. Teil der Aufnahmezusage vorweisen können. Das Gericht musste also entscheiden, ob bereits der 1. Teil der Aufnahmezusage rechtlich bindend und Deutschland deshalb zur Visumerteilung verpflichtet ist.
Deutschland muss Bundesaufnahmeprogramm für Afghanistan umsetzen
Die Richterinnen und Richter beantworteten die Frage mit einem klaren Ja. Die Zusage für ein Bundesaufnahmeprogramm sei schon für sich genommen eine Regelung mit Außenwirkung, die eine rechtliche Bindung für die Bundesrepublik entfalte. Der 2. Teil des Verfahrens sei dagegen nur eine formale Bestätigung über dessen Abschluss ohne besondere rechtliche Wirkung.
Zwar könne die Bundesregierung jederzeit frei bestimmen, ob und wie sie ein Bundesaufnahmeprogramm für Afghanistan aussetzt, beendet oder fortführt. Sobald eine Zusage aber einmal erteilt werde, bleibe sie auch dann noch verpflichtend, wenn das dazugehörige Programm pausiert ist. Um sich ganz von seiner rechtlichen Bindung lösen zu können, hätte das BAMF die Zusage rechtswirksam zurücknehmen müssen. Da das aber nicht passiert ist, gab das Gericht dem Eilantrag statt.
Der Fall der Afghanin wurde in einem sogenannten Eilverfahren entschieden. Das ist eine besondere Prozessart, bei der ein Gericht eine schnelle und vorläufige Entscheidung fällt. Vorteilhaft an dieser Verfahrensart ist, dass die Behörde sofort zum Handeln gezwungen werden kann.
Entscheidung ist für weitere Visaerteilungen bedeutsam
Auf dem Papier ist der Beschluss des VG Berlin eine vorläufige Einzelfallentscheidung, die das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg theoretisch noch aufheben kann. Dennoch kommt jetzt Bewegung in die Sache: Deutschland muss den 14 betroffenen Afghaninnen und Afghanen ihre Visa ausstellen, solange das OVG keine anderslautende Entscheidung fällt.
Zudem sind vor dem VG Berlin noch weitere Verfahren von afghanischen Staatsangehörigen anhängig, die ebenfalls auf ihr Visum warten. Dass das Gericht auch in diesen Fällen im Sinne der Antragstellerinnen und -steller entscheidet, ist sehr wahrscheinlich.
Quelle:
Fanden Sie diese Seite hilfreich?