Aufenthaltstitel aus humanitären Gründen

Internationale Konflikte, Bürgerkriege und andere humanitäre Krisen vertreiben viele Menschen aus ihrer Heimat. In Deutschland sorgt das Aufenthaltsgesetz (AufenthG) in § 23 dafür, dass ein Teil dieser Personen schnell und unkompliziert in die Bundesrepublik gelangen können. Bund und Länder sind dazu bemächtigt, groß angelegte Aufnahmeprogramme ins Leben zu rufen, wenn sie kritische Lagen in anderen Staaten feststellen.

Die Gründe für den Erlass von Aufnahmeprogrammen sind vielfältig. Oft handelt die Politik im Rahmen von (Bürger-) Kriegen, die ein Leben für die dortige Bevölkerung unmöglich machen.

Grundsätzlich werden in § 23 AufenthG drei Arten von Aufnahmeprogrammen und damit auch drei Aufenthaltstitel unterschieden:

Achtung: Jedes Aufnahmeprogramm ist anders!
Da jedes Aufnahmeprogramm auf eine bestimmte Krisensituation zugeschnitten ist, sind mitunter auch die Voraussetzungen und Verfahrensschritte bei den Aufnahmeprogrammen unterschiedlich. Dieser Beitrag bietet nur einen groben Überblick über § 23 AufenthG anhand einiger Beispiele.

Landesaufnahmeprogramme nach § 23 Abs. 1 AufenthG

In § 23 Abs. 1 AufenthG sind die sogenannten Landesaufnahmeprogramme geregelt. Die obersten Behörden der einzelnen Bundesländer werden darin ermächtigt, bestimmten Personengruppen aus humanitären oder völkerrechtlichen Gründen eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Das kann zum Beispiel Schutz vor politischer Verfolgung oder einem (Bürger-) Krieg sein.

Für ein Aufnahmeprogramm können Sie sich nicht selber bewerben. Stattdessen kommt die Ausländerbehörde beziehungsweise die deutsche Auslandsvertretung auf Sie zu. Wie genau das Verfahren abläuft, richtet sich danach, ob es sich in Ihrem Fall um ein Programm mit oder ohne Verpflichtungserklärung handelt.

Hinweis: Verpflichtungserklärung
Die Verpflichtungserklärung ist in vielen Landesaufnahmeprogrammen eine Grundvoraussetzung für die Gewährung eines Aufenthaltstitels. Darin verpflichtet sich der Erklärungsgeber, alle für Sie anfallenden Lebenshaltungskosten in den nächsten fünf Jahren zu übernehmen.

Bei Aufnahmeprogrammen mit Verpflichtungserklärung muss der Erklärungsgeber – oft sind das Familienmitglieder, die bereits in Deutschland leben – einen Antrag auf Vorabzustimmung für die Visumserteilung bei der Ausländerbehörde stellen. Die Behörde prüft die Verpflichtungserklärung samt Antrag und leitet bei Zustimmung die Angelegenheit an die zuständige Auslandsvertretung in Ihrem Herkunftsstaat weiter. Daraufhin setzt sich die Botschaft oder das Konsulat mit Ihnen in Verbindung, um einen Termin für die Visumbeantragung auszumachen. Sobald Sie Ihr Visum beantragt und erhalten haben, können Sie nach Deutschland einreisen.

Ist eine Verpflichtungserklärung für das Aufnahmeprogramm nicht erforderlich, werden Sie von der Auslandsvertretung in Zusammenarbeit mit dem Hohen Flüchtlingsrat der Vereinten Nationen (UNHCR) und gegebenenfalls Nichtregierungsorganisationen (NGOs) ausgesucht und kontaktiert.

§ 23 Abs. 2 AufenthG: Bundesaufnahmeprogramme

Neben den Ländern beteiligt sich auch der Bund an der Aufnahme schutzbedürftiger Menschen. Die sogenannten Bundesaufnahmeprogramme sind in Paragraph 23 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz geregelt und ähneln den Aufnahmeinitiativen der Länder. Auch hier stellt der Staat bestimmten Personengruppen eine Vielzahl von Aufenthaltstiteln zur Verfügung – nur eben auf Bundesebene.

Die Voraussetzungen für eine Aufnahme hängen vom jeweiligen Programm ab. Eigenständig bewerben können Sie sich nicht. Die Auswahl der Begünstigten erfolgt vor Ort und anhand von Vorschlägen des UNHCR sowie anderen lokalen NGOs.

Resettlement-Flüchtlinge nach § 23 Abs. 4 AufenthG

Der letzte mögliche Aufenthaltstitel nach § 23 AufenthG wird im Rahmen von sogenannten Resettlement-Programmen vergeben. Resettlement bedeutet auf Deutsch „Neuansiedlung” und richtet sich an Menschen, die neben Deutschland bereits in einem anderen Staat Zuflucht gesucht haben, dort aber genauso wenig wie in ihrem Herkunftsland bleiben können. Oft sind Personengruppen betroffen, die besonders schutzbedürftig sind. Darunter fallen insbesondere alte und kranke Menschen sowie Kinder und alleinstehende Frauen.

Eine Bewerbung oder einen Antrag gibt es für Resettlement-Programme nicht. Der UNHCR überwacht die Situation in den Erstaufnahmeländern und schickt dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) eine Liste mit gefährdeten Personen, wenn ein Resettlement-Bedarf feststellt wird. Daraufhin leitet die Bundesbehörde das Prüf- und Einreiseverfahren ein, das auch in Absatz 1 und 2 vorgesehen ist.

Achtung: Passpflicht für Geflüchtete!
Bei allen Aufenthaltstiteln nach § 23 AufenthG gilt die sogenannte Passpflicht beziehungsweise Ausweispflicht. Das bedeutet, dass Sie nur mit einem gültigen Pass beziehungsweise einem Passersatz nach Deutschland einreisen dürfen – selbst wenn Sie eigenhändig im Rahmen eines Aufnahmeprogramms vom BAMF oder einer sonstigen Behörde ausgesucht wurden.

§ 23 AufenthG: Befristeter Aufenthaltstitel mit Wohnsitzauflage

Alle drei Programme haben gemeinsam, dass sie zunächst eine befristete Aufenthaltserlaubnis beinhalten. Für gewöhnlich beträgt diese 3 Jahre. Eine Verlängerung ist möglich, setzt aber voraus, dass die Bedingungen für eine Erteilung auch nach Ablauf des Titels noch vorliegen.

Die Gewährung einer Aufenthaltserlaubnis ist mit Auflagen verbunden. Besonders relevant ist dabei die sogenannte Wohnsitzauflage. Diese Maßgabe sorgt dafür, dass Sie in den ersten 3 Jahren in dem Bundesland wohnen bleiben müssen, dem Sie zugewiesen wurden.

Ausnahmen gibt es, wenn Sie, Ihr Ehegatte, Ihr eingetragener Lebenspartner bzw. Ihre eingetragene Lebenspartnerin oder Ihr minderjähriges lediges Kind, mit dem Sie zusammenwohnen, ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis, eine Ausbildung oder ein Studium begonnen haben. Eine bereits auferlegte Wohnsitzauflage kann dadurch aufgelöst werden.

Niederlassungserlaubnis und Einbürgerung bei Aufnahmeprogramm

Mit einer (befristeten) Aufenthaltserlaubnis nach § 23 AufenthG können Sie nach 5 Jahren sowohl eine Niederlassungserlaubnis als auch Ihre Einbürgerung beantragen. Beide Optionen sichern Ihnen ein vollumfängliches Bleiberecht und damit eine planbare Zukunft in Deutschland. Zu den Voraussetzungen, die Sie sowohl für die Niederlassungserlaubnis als auch für die Einbürgerung erfüllen müssen, gehören unter anderem:

  • Ein rechtmäßiger Aufenthalt in Deutschland seit mindestens 5 Jahren,
  • die Sicherung Ihres eigenen Lebensunterhalts und gegebenenfalls den Ihrer Familie,
  • Sprachkenntnisse auf B1-Niveau und
  • Straffreiheit
Wichtig: Anspruch auf Niederlassungserlaubnis bei Resettlement-Programmen!
Resettlement-Programme haben gegenüber anderen Aufnahmeprogrammen einen großen Vorteil: Nach 3 Jahren Aufenthalt haben Sie einen Anspruch auf eine Niederlassungserlaubnis, solange Sie noch schutzbedürftig sind. Sie müssen keine sonstigen Kriterien erfüllen.

§ 23 AufenthG: Arbeiten und Reisen ist möglich

Ob Sie als Inhaberin beziehungsweise Inhaber eines Titels nach § 23 AufenthG arbeiten dürfen oder nicht, hängt von der Art Ihres Aufenthaltstitels und von Ihrem Aufnahmeprogramm ab: Wenn Sie Resettlement-Flüchtling oder Teil eines Bundesaufnahmeprogramms sind, haben Sie automatisch eine uneingeschränkte und unbefristete Arbeitserlaubnis.

Anders sieht es dagegen aus, wenn Sie über ein Landesaufnahmeprogramm nach Deutschland gekommen sind. Diese können zwar auch eine Arbeitserlaubnis beinhalten, müssen es aber nicht. Entscheidend ist daher, welche Regelungen Ihr Aufnahmeprogramm getroffen hat. Doch auch wenn Sie keine Arbeitserlaubnis haben, können Sie mit einer Genehmigung der Ausländerbehörde erwerbstätig werden.

Deutlich einfacher als das Arbeiten ist das Reisen geregelt. Wenn Sie eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 AufenthG haben und die Einreisebestimmungen Ihres Zielortes beachten, dürfen Sie reisen. Solange Ihr Lebensmittelpunkt in Deutschland bleibt, müssen Sie sich nicht ununterbrochen in der Bundesrepublik aufhalten, um Ihren Aufenthaltstitel zu sichern.

Innerhalb der Europäischen Union dürfen Sie sich sogar bis zu 3 Monate ohne besonderen Aufenthaltstitel aufhalten. Einzige Voraussetzung hierbei ist, dass Sie im Drittstaat keine Arbeit aufnehmen.

Hinweis: EU- Regeln teilweise anwendbar
§ 23 Abs. 3 AufenthG bestimmt, dass die EU-Regelungen zum vorübergehenden Schutz auch für manche Aufnahmeprogramme gelten. Dadurch wird Ihnen der Zugang zu Ausbildung, Arbeit und Sozialleistungen zusätzlich vereinfacht.

Das gilt für den Familiennachzug bei Aufnahmeprogramm

§ 23 AufenthG regelt den Familiennachzug nicht extra, sodass die allgemeinen Regelungen der Familienzusammenführung nach dem AufenthG gelten. Nachziehen können daher nur Ehepartner oder Ehepartnerinnen, eingetragene Lebenspartner oder Lebenspartnerinnen, minderjährige Kinder und Eltern minderjähriger Kinder. Andere Familienangehörige können Sie nur in besonderen Härtefällen zu sich holen.

§ 23 AufenthG: Diese Leistungen stehen Ihnen zu

Als Inhaberin beziehungsweise Inhaber eines Aufenthaltstitels nach 23 AufenthG stehen Ihnen verschiedene Sozialleistungen zu. Sie erhalten abhängig von Ihrer persönlichen Lebenssituation und Ihrem Aufenthaltstitel entweder Arbeitslosengeld, Bürgergeld oder Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG).

Aufenthaltstitel nach Landesaufnahmeprogrammen:

Wenn Sie im Rahmen eines Landesaufnahmeprogramms nach Deutschland gekommen sind, haben Sie entweder Anspruch auf ALG  oder auf Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz.

ALG erhalten Sie, wenn Sie:

  1. innerhalb der letzten zwei Jahre mindestens zwölf Monate sozialversicherungspflichtig beschäftigt waren,
  2. arbeitslos gemeldet sind,
  3. sich um einen neuen Job bemühen und
  4. der Arbeitsvermittlung der Agentur für Arbeit zur Verfügung stehen.

Die Bezugsdauer richtet sich danach, wie lange Sie zuvor in Ihrem Beruf gearbeitet haben und liegt zwischen 6 und 12 Monaten. Nach spätestens einem Jahr fallen Sie dann in das AsylbLG, das auch dann greift, wenn Sie keinen Anspruch auf ALG haben.

Hat eines Ihrer Familienmitglieder eine Verpflichtungserklärung unterschrieben, bleiben Ihre Ansprüche zwar bestehen. Der Sozialleistungsträger kann sich das an Sie gezahlte Geld jedoch vom Erklärungsgeber zurückholen.

Aufenthaltstitel nach Bundesaufnahme- oder Resettlement-Programmen:

Richtet sich Ihr Aufenthaltstitel nach § 23 Abs. 2 oder 4 AufenthG, haben Sie entweder Anspruch auf ALG oder Bürgergeld. Für den ALG-Bezug gelten die oben genannten Voraussetzungen. Erfüllen Sie diese nicht, greift das Bürgergeld.

Hinweis: Kindergeld mit § 23 Abs. 1 AufenthG
Mit einem Aufenthaltstitel nach § 23 Abs. 1 AufenthG steht Ihnen beziehungsweise Ihren Kindern Kindergeld zu, wenn Sie sich seit mindestens 15 Monaten mit einer Duldung oder einem Aufenthaltstitel in Deutschland aufhalten oder erwerbstätig sind sowie in Elternzeit oder im ALG-Bezug. Vorteilhaft am Kindergeldbezug ist, dass dieser nicht als Sozialleistung gilt. Ihre Chancen auf eine Einbürgerung oder Niederlassungserlaubnis werden also nicht beeinflusst.

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Quellen:

23 AufenthG: Häufig gestellte Fragen

Was ist 23 AufenthG?

§ 23 des Aufenthaltsgesetzes regelt die Möglichkeit, Personen einen Aufenthaltstitel für Deutschland zu erteilen, die besonders stark von Bürgerkriegen oder anderen humanitären Krisen betroffen sind. Diese Aufenthaltserlaubnis ermöglicht sowohl im Falle von § 23 Abs. 1 als auch im Falle von § 23 Abs. 2 AufenthG eine Einbürgerung.

Wer bekommt 23 AufenthG?

Eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 AufenthG wird an bestimmte Personengruppen vergeben, die aus humanitären, völkerrechtlichen oder politischen Gründen Schutz in Deutschland benötigen. Wer genau berechtigt ist, lässt sich nicht pauschal beantworten und hängt vom jeweiligen Aufnahmeprogramm ab.

Was bedeutet Paragraph 23 Absatz 1 AufenthG?

§23 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz beinhaltet die sogenannten Landesaufnahmeprogramme. Das sind Initiativen der Bundesländer, die besonders schutzbedürftige Menschen im Ausland ausfindig machen und sie sicher nach Deutschland bringen. Neben einem Aufenthaltstitel, Anspruch auf verschiedene Sozialleistungen und die Möglichkeit einer Einbürgerung, umfasst 23 Abs. 1 AufenthG auch eine Krankenversicherung.

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